Der wahre Grund, warum "SOLARSTATION" so anders
ist
Nachdem mein zweiter Roman erschienen war, fiel, wann immer
ich jemanden traf, der beide gelesen hatte, unweigerlich
folgender Satz: "Solarstation ist aber vom Stil
her so ganz anders als Die
Haarteppichknüpfer!"
Es gibt einen Grund dafür.
1993 hatte ich "Die Haarteppichknüpfer" fertiggeschrieben,
wieder und wieder überarbeitet, schließlich kopiert und
gebunden und in mehreren Exemplaren gleichzeitig auf die
Reise zu den deutschen Verlagen geschickt, bei denen ich
mir diesen Roman vorstellen konnte. (Wie man das eben so
macht.) Meine Sammlung von Ablehnungs-Formschreiben wuchs
und wuchs, und parallel dazu mein Gefühl der Frustration.
(Wie es einem dann eben so geht.)
Aber ich war ja zu allem entschlossen, und so tat ich, was
Lektoren, die Ablehnungen schreiben, mehr fürchten als
alles andere: ich rief sie an.
Später erfuhr ich, daß derartige Anrufe der Hauptgrund sind
dafür, daß Verlage auf standardisierte Ablehnungsbriefe
zurückgreifen, die zudem meist nicht von den zuständigen
Lektoren unterzeichnet sind, ja, deren Namen oft nicht
einmal enthalten. Denn wenn man sich die Mühe macht, einem
Autor eine begründete Ablehnung zu schreiben, in der
Absicht, ihm bei seiner Entwicklung zu helfen, dann, so
wurde mir erzählt, handle man sich bloß den Ärger ein, daß
der dann wutentbrannt anrufe und einem erkläre, warum man
sein Buch sehr wohl veröffentlichen müsse, und zwar ohne
auch nur ein Komma zu ändern.
Das zumindest hatte ich nicht vor. Ich wollte nur wissen,
warum sich "Die Haarteppichknüpfer" nicht für eine
Veröffentlichung eigneten. Ich suchte ein qualifiziertes
Feedback.
Das Problem war, daß die meisten der Lektoren, die ich
erreichte, sich nicht an das Buch erinnerten. Sie bekämen
so viele Manuskripte auf den Schreibtisch - 50 pro Woche
die eine, 100 manchmal... Es klang zum Verzweifeln
aussichtlos.
Aber schließlich erreichte ich einen, der sich an den Roman
erinnerte. "Die Haarteppichknüpfer", erklärte er mir, sei
durchaus ein ziemlich gutes Buch - aber nicht gut genug, um
ihm das Gefühl zu geben, er müsse es machen. Es sei nun
einmal so, daß ein Erstlingswerk eine besonders hohe Hürde
zu nehmen habe.
Ja, meinte ich, das sei mir klar. Woran es denn liege,
fragte ich weiter, daß besagtes Gefühl nicht bei ihm
aufkäme?
Tja, erwiderte er, der Roman schwebe so unentschlossen
zwischen Atmosphäre und Action. Er habe nicht genug
Atmosphäre, um daraus leben zu können, andererseits aber
auch nicht genug Action, um seine Kraft daraus zu beziehen.
Ich war verblüfft über diese Ansicht. Für mein Empfinden
hatte ich in den "Haarteppichknüpfern" das Äußerste an
Atmosphäre verwirklicht, das mir möglich war, so daß es
wohl keinen Sinn machte, sich in dieser Richtung noch mehr
anzustrengen. Aber was Action anbelangte, war es nach
meinem Dafürhalten erstaunlich, daß jemandem dieses Wort im
Zusammenhang mit diesem Buch überhaupt einfiel.
Ich weiß noch, wie ich nach diesem Gespräch dasaß, das
Telefon auf meinen Knien, vor mich hinstarrte und dachte:
Ihr wollt ACTION? Ihr sollt Action haben!
Dann stellte ich das Telefon beiseite, griff nach meinem
Notizbuch und blätterte die Rubrik mit den Romanideen
durch. Action? Schließlich war das früher ja meine große
Leidenschaft gewesen - tapfere Helden durch alle möglichen
und unmöglichen Widrigkeiten zu jagen. War doch gut
möglich, daß ich das immer noch drauf hatte, oder? Mein
Blick blieb auf einem kurzen Eintrag hängen, der schon ein
paar Jährchen alt war und im wesentlichen lautete: Ein
Action-Thriller, der auf einer Raumstation spielt - Mord
usw.
Blitzartig schossen mir ein Haufen dazu passender
Detailideen durch den Kopf. Ich griff nach Stift und Papier
und kritzelte alles nieder, was mir einfiel, wild
entschlossen, daraus den spannendsten, atemberaubendsten
Thriller zu machen, dessen ich fähig war - auf jeden Fall
ein Buch, das auf der Achse Atmosphäre <--->
Action so weit von den "Haarteppichknüpfern" entfernt
war wie irgend möglich.
Nun, zumindest das ist mir, wie es scheint, gelungen.